Als kriegsgefangener Soldat in Fort Hunt. Wahrnehmungen und Deutungen deutscher Mannschaftssoldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft während des Zweiten Weltkrieges

Nom de l'auteur
Nicole
Bögli
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Sönke
Neitzel
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2009/2010
Abstract


Zwischen 1942 und 1945 wurden im amerikanischen Vernehmungszentrum Fort Hunt, Virginia, rund 3’451 deutsche Kriegsgefangene systematisch verhört und abgehört. Der Aktenumfang dieses erst kürzlich freigegebenen Quellenkorpus beläuft sich auf rund 3000 Akten, welche mehrere zehntausend Verhörund Abhörprotokolle enthalten. Die Masterarbeit „Als kriegsgefangener Soldat in „Fort Hunt“ – Wahrnehmungen und Deutungen deutscher Mannschaftssoldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft während des Zweiten Weltkrieges“ von Nicole Bögli basiert auf diesen einzigartigen Quellen, welche einen einmaligen Einblick in die Wahrnehmungen und Deutungen deutscher Wehrmachtsangehöriger bieten.

Obwohl der Zweite Weltkrieg zu den besterforschten Themen der Geschichtswissenschaft gehört, ist eine eigentliche Mentalitätsgeschichte der Wehrmacht immer noch ausstehend. Diese Arbeit, welche im Rahmen des internationalen Projekts „Referenzrahmen des Krieges. Wahrnehmungen und Deutungen von Soldaten der Achsenmächte, 1939 – 1945“ unter der Leitung von Prof. Dr. Sönke Neitzel entstanden ist, geht der Frage nach, wie Mannschaftssoldaten der deutschen Wehrmacht die Zeit des Zweiten Weltkrieges wahrgenommen und wie sie zeitgenössische Situationen interpretiert haben.

Anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse wurden die Aussagen von 31 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Mannschaftssoldaten ausgewertet. Zudem wurde eruiert, über welche Themenbereiche die Gefangenen mit den Verhöroffizieren und ihren Zellengenossen gesprochen haben. Im Zentrum des Interesses stehen zwei erkenntnisleitende Fragestellungen. Erstens: inwiefern hat der soziographische Hintergrund einen Einfluss auf die Sinnstiftungsmuster der Soldaten? Und Zweitens: inwiefern orientieren sich die Wehrmachtsangehörigen für die Interpretationsprozesse an verschiedenen Referenzrahmen?

Im ersten Teil der Arbeit werden der Forschungsstand, die methodische Vorgehensweise und das Sozialprofil der Gefangenen vorgestellt. Bevor im Hauptteil dargestellt wird, welche Themen in den Gesprächen und Verhören vorrangig behandelt werden und die Gefangenen ausführlich zu Wort kommen, wird zuerst auf die Lebensumstände deutscher Soldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft eingegangen und das Vernehmungszentrum Fort Hunt sowie dessen Verhörtätigkeiten näher vorgestellt.

Im theoretischen Teil werden drei verschiedene Referenzrahmen herausgearbeitet, welche den Soldaten für die Wahrnehmung und Deutung der Ereignisse Orientierung bieten. Die Autorin geht davon aus, dass ein ideologisch-normativer, ein situativer und ein biographisch/lebensgeschichtlicher Referenzrahmen in unterschiedlichem Masse die Interpretationsleistungen der Soldaten beeinflussen.

Die Analyse der Aussagen der Kriegsgefangenen in Fort Hunt hat ergeben, dass die Einstellung zum Hitlerregime, die Interpretation der Geschehnisse, die Perzeption des Krieges und die Wahrnehmung der Soldatenund Heimatfrontmoral von vielen Faktoren beeinflusst werden. Es hat sich gezeigt, dass soziographische Daten wie Herkunft, Bildung und Alter (biographisch/lebensgeschichtlicher Referenzrahmen) einen weniger direkten Einfluss haben als der Grad der ideologischen Indoktrinierung (ideologisch-normativer Referenzrahmen) und situative Faktoren wie der Einsatz auf Kriegsschauplätzen, der Zeitpunkt der Gefangennahme und das ganz persönliche Erleben der Ereignisse (situativer Referenzrahmen).

Für die Mentalitätsgeschichte der Wehrmacht, für das Erklären von Wahrnehmungs– und Sinnstiftungsmustern der Soldaten ist die Referenzrahmenanalyse am Schnittpunkt zwischen Sozialpsychologie und Geschichtswissenschaft ein vielversprechender neuer Ansatz.

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