„Tu constanter teneto mercaturam derogare nobilitati“ Über Handelstätigkeiten und Handelsverbote des Adels im spätmittelalterlichen Italien

Nom de l'auteur
Simona
Generelli
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Hesse
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2013/2014
Abstract
Die Vorstellung, dass Adlige im Mittelalter keinen Handel treiben durften, besass in der historischen Forschung lange Zeit den Rang einer unreflektierten Selbstverständlichkeit. Doch verschiedene Studien haben in jüngerer Zeit diese Auffassung in Frage gestellt und überzeugend gezeigt, dass die Problematik komplexer ist und einer differenzierten Betrachtung bedarf. Hier setzt die Masterarbeit an, deren Ziel es ist, am Beispiel einzelner italienischer Städte der Frage nach Handelsverboten für den Adel nachzugehen. Die Wahl fiel auf Venedig, Genua, Neapel, Siena und Padua, da diese Städte eine gute Quellenlage mit einer jeweils unterschiedlichen politischen, geographischen und sozialen Ausgangslage verbindet. Zwei Seerepubliken mit ihren politischen und sozialen Organisationen, die Hauptstadt eines Königsreiches und zwei Städte im Binnenland, die im ausgehenden Mittelalter unter dem politischen Einfluss anderer Städte standen, ermöglichen verallgemeinerbare Aussagen über die Rolle des Adels im städtischen Handel. Die Arbeit präsentiert sich in drei Teile gegliedert. Am Anfang steht die Definition dessen, was damals im spätmittelalterlichen Italien unter „Adel“ überhaupt verstanden wurde. Dabei hat sich gezeigt, dass aufgrund der besonderen politischen Situation eine Definition im höfischen Sinn nicht möglich ist. Die norditalienischen Städte hatten sich früh von der Herrschaft des Königs bzw. Kaisers emanzipiert und regierten sich grundsätzlich selbst: zur Zeit der Kommune durch verschiedene, aus dem städtischen Bürgertum rekrutierte Räte, zur Zeit der Signorien dann durch einzelne Geschlechter. An die Stelle einer allgemeingültigen Definition treten deshalb unterschiedliche und durchaus heterogene Bestimmungen, durch welche die Städte in den Statuten festlegten, wer zum Adel gehörte. Diese Schwierigkeit spiegelt sich auch in den zeitgenössischen Adelstraktaten wider, die im zweiten Abschnitt der Arbeit untersucht werden. Die Autoren dieser seit dem 15. Jahrhundert immer zahlreicher entstehenden Texte geben auf die Frage nach der Definition von Adel ganz unterschiedliche Antworten. Grob können zwei Auffassungen unterschieden werden. Einige Autoren, darunter auch der Jurist Bartolus von Saxoferrato (+1357), vertreten die aristotelische Idee, dass der Adel auf Reichtum, Geschlecht und Würde beruhe. Demgegenüber stehen andere Autoren, der florentinische Dichter Dante Alighieri in primis, nach denen der Adel eine individuelle Eigenschaft sei, die sich durch die Tugend einer Person äussere. Diese zwei unterschiedlichen, aus der Antike stammenden Ansichten erwiesen sich für den in den Adelstrakten präsentierten Diskurs als prägend. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber doch: Obwohl sich die Autoren auf eine Definition des Begriffes „Adel“ nicht einigen konnten, wird in allen Adelstraktaten explizit gesagt, dass der Adel nicht Handel treiben solle, denn es handele sich dabei um eine niedere Tätigkeit (ars mechanica), die den Verlust des adligen Status verursachen könne. Jedoch wurde nach Cicero oft der Unterschied zwischen Grossund Kleinhandel (De Officiis, I, 150–151) gemacht: Dem Adel war es erlaubt, Handel zu treiben, solange es sich dabei um Grossunternehmertum handelte. Die definierende Eigenschaft des Adels war also weniger persönliche oder soziale Qualität, als vielmehr die standesgemässe Tätigkeit und Lebensführung, die tief in der spätmittelalterlichen Mentalität verwurzelt gewesen zu sein scheint. In einem dritten Schritt wurden die bisher gewonnen Erkenntnisse zur Definition von Adel auf die eingangs genannten italienischen Städte angewandt. Hier wurde deutlich, dass echte Handelsverbote erst im ausgehenden 15. Jahrhundert und vor allem in der frühen Neuzeit entstanden, als der in den Adelstraktaten ausgebreitete Diskurs über ständische Qualität mit den Abschließungstendenzen der städtischen Oberschichten zusammentraf. Zuvor wären Handelsverbote auch geradezu realitätsfremd gewesen, hatte doch vielerorts der Adel nicht nur sein Geld im Handel verdient, sondern auch oft genug dank dieser Tätigkeit überhaupt erst adlig werden können. Erst als der Adel sich aufgrund neuer Perspektiven von der kaufmännischen Tätigkeit abwandte, konnten Handelsverbote entstehen. Ein sehr gutes Beispiel ist Venedig, wo der Adel lange Zeit im Seehandel tätig war. Am Ende des 15. Jahrhunderts begann er jedoch allmählich, Geld in Grundbesitz auf der Terra Ferma zu investieren und immer weniger Interesse am Handel zu zeigen. Erst zu dieser Zeit konnte ein echtes Handelsverbot entstehen und dies geschah – so die These – aus politischen und sozialen Gründen: Der Adel vermochte damit seine erworbene Macht (Signoria) gegen Aufsteiger aus dem Kaufmannsstand zu sichern.

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