Die mittelalterliche Koadjutorenschaft. Überlegungen zu einem gesamtkirchlichen Phänomen mit Schwerpunkt auf die Basler Koadjutorie zwischen 1499 und 1527 im Kontext des Hochstifts

Nom de l'auteur
Sara Valentina
Rohr
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Hesse
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2021/2022
Abstract
Im Laufe des Spätmittelalters fanden sich im Heiligen Römischen Reich an der Seite von Bischöfen vermehrt Koadjutore. Bei diesen handelte es sich laut dem zeitgenössischen kanonischen Recht um Stellvertreter für Bischöfe, welche aufgrund von Arbeitsüberlastung, Altersschwäche sowie körperlicher oder geistiger Krankheit dauerhaft an der Ausführung ihres Amtes verhindert waren. Da die Bischöfe des Heiligen Römischen Reichs zusätzlich zu ihrer Funktion als geistliche Oberhirten auch als weltliche Fürsten über ein eigenes Territorium herrschten, stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob Koadjutore ihren Koadjutus nur in der Leitung und Verwaltung des Bistums oder auch in der Regierung des Hochstifts vertraten. Letzteres setzt voraus, dass in der Praxis des Heiligen Römischen Reichs bereits eine Erweiterung der Koadjutorie als geistliches Amt um eine weltliche Komponente nach dem Vorbild des Doppelcharakters der Bischöfe erfolgt war. Ab dem 14. Jahrhundert wurden Koadjutore ausserdem vermehrt für noch regierungsfähige Bischöfe ernannt. Dies hatte zur Folge, dass aus rechtlicher Sicht zwei legitimierte Regenten in der Diözese – und möglicherweise auch im Hochstift – nebeneinander existierten. Es stellt sich also die Frage nach der Funktion und den Kompetenzen solcher Koadjutorien, insbesondere auch im Kontext des Hochstifts. In einem ersten Arbeitsschritt wurden die Grundlagen der mittelalterlichen bischöflichen Koadjutorie erarbeitet, indem der Koadjutor in Abgrenzung zu weiteren Formen der bischöflichen Stellvertreterschaft typologisiert wurde. Dies erlaubte auch die Problematik eines sede impedita, also eines verhinderten Bischofs, aufzuzeigen. Die dadurch gewonnenen Ergebnisse dienten in Verbindung mit der Auswertung einer repräsentativen Studie zu Koadjutorien im Heiligen Römischen Reich zwischen dem Erlass des grundlegenden Dekrets De Clerico Aegrotante Vel Debilitato 1296 und dem Beginn des Konzils von Trient 1545 als Referenzrahmen für die Aufarbeitung der Basler Koadjutorie zwischen 1499 und 1527. Dabei lag der Fokus stets auf der noch unerforschten Rolle der Koadjutore in der Leitung und Verwaltung der Temporalia. Die Rekonstruktion der Gründe für die Einrichtung der 94 identifizierten Koadjutorien, der daran beteiligten Parteien sowie der konkreten Kompetenzen der Koadjutore zeigt, dass diese hinsichtlich ihres Sozialprofils, ihres Bildungsverhaltens und ihrer Professionalisierung dieselben Tendenzen wie das Reichsepiskopat aufwiesen. So stammte die Mehrheit aus dem Adel, hatte eine Universität besucht, war anschliessend im Umfeld von weltlichen und geistlichen Höfen tätig, besass ein Domkanonikat und war teilweise – in unterschiedlichem Umfang – an der Leitung und Verwaltung des Hochstifts beteiligt. Diese Sachverhalte zeigen sich auch am Fallbeispiel Basel. Die dort errichteten drei Koadjutorien wurden in Bezug auf die vier Aspekte Herkunft, bischöflicher Hof, ökonomische Basis sowie konkurrierende Mächte untersucht. Die untersuchten Koadjutorien erfolgten während den Episkopaten von Kaspar zu Rhein (1479–1502) und Christoph von Utenheim (1502–1527), welche von der aktuellen Forschung in die Gruppe der ‚Kleinen Bischöfe‘ eingeordnet werden, da sich der Basler Episkopat zu Beginn des 16. Jahrhunderts in einer Finanzkrise befand und nur geringe Bedeutung für Königtum und Reich aufwies. Kaspar zu Rhein und Christoph von Utenheim konnten im Gegensatz zu ihren Vorgängern das finanzielle Defizit nicht durch private Investitionen ausgleichen. Vor diesem Hintergrund wurde daher zusätzlich die These geprüft, dass der Basler Bischof und sein Domkapitel die Koadjutorie als Mittel verstand, um die Sanierung der Finanzen voranzutreiben. So sollte ein vermögender Koadjutor einerseits anstelle des finanzschwachen Bischofs Geldbeträge aus seinem Privatvermögen ins Hochstift investieren und andererseits durch eine umsichtige und gut organisierte Finanzverwaltung die Schulden abbauen. Im Gegenzug konnte er die Regierung übernehmen und erhielt die Aussicht auf die Nachfolge auf die Basler cathedra. Dementsprechend wurden dem Statthalter und Regenten Christoph von Utenheim und dem Koadjutor Niklaus von Diessbach bei ihrer Einsetzung die Finanzadministration übertragen. Wie vom Domkapitel verlangt, erstellte Utenheim eine Übersicht über den laufenden Finanzhaushalt und bemühte sich um die Begleichung der von seinem Koadjutus hinterlassenen Schulden. Obwohl er in der Folge eine leichte Senkung des jährlichen Defizites erreichte, gelang ihm die Sanierung der Finanzen nicht, weshalb er sich – nun als Bischof – seinerseits ab 1511 um die Einsetzung eines vermögenden Koadjutors bemühte. Sein Koadjutor Niklaus von Diessbach gewährte ihm daher 1519 bei Amtsantritt ein zinsloses Darlehen über 3000 Gulden. Allerdings vermochte auch er den baslerischen Finanzhaushalt nicht zu sanieren. Zudem war Bischof Utenheim nicht bereit, durch die Übertragung der Leitung und Verwaltung des Hochstifts an seinen Koadjutor, seine bereits ‚kleinen‘ Handlungsmöglichkeiten weiter einzuengen. Als Fazit kann daher festgehalten werden, dass aufgrund der entstandenen Streitigkeiten die Basler Koadjutorie anstatt die Schulden abzubauen, zusätzliche Kosten generierte.

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