Nachrichtenaustausch zwischen der Schweizer Armee und Österreich-Ungarn. Die Relevanz des Nachrichtenbulletins der Schweizer Armee vor dem Hintergrund der offenen Quellen

Nom de l'auteur
Sandro
Portmann
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
PD Dr. phil
Daniel Marc
Segesser
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2020/2021
Abstract
Nachrichten und damit auch die Nachrichtenbeschaffung waren bereits für Clausewitz ein essenzieller Teil militärischer Planung. Als am 1. August 1914 die Schweizer Armee mobil machte, stand die Nachrichtensektion des schweizerischen Armeestabes jedoch vor einem Dilemma. Wie die gesamte Schweizer Armee war auch sie nur mit geringen finanziellen Mitteln ausgestattet und stand entsprechend vor dem Problem, dass sie zur Beschaffung von Nachrichten nicht auf ein eigenes Agentennetz zurückgreifen konnte. Die Obersten Karl Egli und Moritz von Wattenwyl entschieden sich daher dazu, mit dem Deutschen Kaiserreich und Österreich-Ungarn einen Nachrichtenaustausch zu etablieren. Dieser sah vor, dass die Schweiz von den beiden Zentralmächten kriegsrelevante Nachrichten erhielt und die Schweiz im Gegenzug Nachrichten an die beiden Staaten lieferte. Um diese Abmachungen einzuhalten, lieferte ein Radfahrer des Armeestabes das Nachrichtenbulletin des Armeestabes jeweils an die Militärattachés sowohl des Deutschen Kaiserreichs als auch Österreich-Ungarns aus. Diese Lieferungen blieben jedoch nicht unbemerkt und führten zum Jahreswechsel 1915/16 zur Oberstenaffäre sowie einem Prozess. Egli und von Wattenwyl wurden zwar militärstrafrechtlich freigesprochen, erhielten jedoch eine drastische Disziplinarstrafe und wurden aus dem Militärdienst entlassen. Hauptanklagepunkt war die Preisgabe geheimer Informationen an einen Drittstaat, also die Weitergabe des Nachrichtenbulletins. Die Vertreter des Deutschen Kaiserreichs und Österreich-Ungarns bezeichneten die Bulletins immer als äusserst relevant und für ihre Zwecke wichtig. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern diese im nachrichtendienstlichen Gesamtrahmen der Zentralmächte tatsächlich relevant waren. Hierzu ist eine Untersuchung notwendig, um festzustellen, woher die in den Nachrichtenbulletins aufgeführten Nachrichten stammten. In Gänze ist dies in einer Masterarbeit nicht machbar, aber da sowohl die Schweiz als auch Österreich-Ungarn den italienischen Irredentismus als eine der grössten Gefahren des Krieges betrachteten, ist zu erwarten, dass der Nachrichtenaustausch zwischen der Schweizer Armee und Österreich-Ungarn diesbezüglich Aufschluss zumindest in einem Teilbereich zu geben vermag. Die vorliegende Masterarbeit konzentriert sich daher darauf und fragt nach dem Gehalt des Nachrichtenaustausches zwischen der Schweizer Armee und Österreich-Ungarn. Als Erstes enthält die Arbeit ein theoretisches Grundgerüst zur Nachrichtenbeschaffung und der Geschichte der Nachrichtendienste. Danach folgt eine Darstellung der Oberstenaffäre als Ausgangspunkt der Untersuchung. Für das Verständnis, wie es zum Nachrichtenaustausch kam, gilt es auch, die bereits vor dem Krieg bestehenden militärischen Kontakte zwischen Österreich-Ungarn und der Schweiz vertiefter zu betrachten. Zentral dafür war ein Treffen zwischen Generalstabschef Oberstkorpskommandant Theophil Sprecher von Bernegg und dem Leiter des k.u.k. Evidenzbüros Oberst Eugen Hordliczka von 1907. Die Folge dieses Treffens war ein von Sprecher Punktuationen genannter Eventualbündnisvertrag und die Entsendung eines österreichisch-ungarischen Militärattachés nach Bern. Die Zusammenarbeit hörte hier jedoch nicht auf. In den Akten des k.u.k. Militärattachés in Bern finden sich Briefwechsel zu diversen Besuchen von Schweizer Offizieren auf den österreichisch-ungarischen Kriegsschauplätzen. Um die Fragen nach der Relevanz des Nachrichtenbulletins und der Provenienz der darin enthaltenen Nachrichten zu beantworten, zog der Autor nebst den Akten des k. u. k. Militärattachés in Bern auch die Akten der Nachrichtensektion des schweizerischen Armeestabes heran. Bei der Analyse der Akten des k.u.k. Militärattachés stellte sich heraus, dass dieser eine Vielzahl von Zeitungen abonniert und Ausschnitte daraus nach Wien gesendet hatte. Um diese besser kontextualisieren zu können, untersuchte der Autor mit der Neuen Zürcher Zeitung und dem Freien Rätier auch Zeitungen als Quellengrundlage. Die Analyse der Inhalte der Unterlagen der Nachrichtensektion des schweizerischen Armeestabes zeigte für all jene Unterlagen, die der Autor nicht dem Nachrichtenbulletin zuordnen konnte, dass die Informationen mehrheitlich von den eigenen Grenztruppen kamen oder, gerade vor dem Hintergrund, dass die Schweiz kein funktionierendes eigenes Agentennetz hatte, aus Österreich-Ungarn selbst stammen mussten. Die Nachrichtenbulletins selber enthielten mehrheitlich amtliche Meldungen, welche sich auch in der Neuen Zürcher Zeitung finden liessen, oder Meldungen ausländischer Zeitungen wie dem Corriere della Sera oder dem Secolo. Der Inhalt des Nachrichtenbulletins stammte also mehrheitlich aus offenen Quellen und war somit frei zugänglich. Es zeigte sich also, dass die Relevanz des Bulletins mit Blick auf die Übermittlung von geheimen Informationen nicht besonders hoch war. Die bis zum Oberstenprozess an die Zentralmächte gelieferten Nachrichtenbulletins enthielten, bezogen auf Österreich-Ungarn, einen verschwindend kleinen Anteil an Informationen, den die Donaumonarchie nicht ohnehin schon auf Grund ihrer eigenen Arbeit respektive aus Zeitungsanalysen hatte. Die Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Armee und den österreichisch-ungarischen Militärbehörden hatte mit Blick auf den Nachrichtenaustausch also nicht die Dimension einer Spionageaffäre, sondern diente primär dazu, einigermassen valide Informationen trotz geringer eigener Ressourcen über das als potentieller Feind angesehene Königreich Italien und seine militärischen Verbände zu gewinnen.

Accès au document

Bibliothèque

Les travaux académiques sont déposés à la bibliothèque de l'université concernée. Cherchez le travail dans le catalogue collectif des bibliothèques suisses