«Jetzt rauchts auf Kuba». Die Wahrnehmung und Darstellung der Kubakrise 1962 in den Deutschschweizer Medien

Nom de l'auteur
Siri
Funk
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Silvia
Berger Ziauddin
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2020/2021
Abstract
Die Kubakrise ist ein zentraler Bestandteil der Historiographie des Kalten Kriegs. Vom 15. bis zum 28. Oktober 1962 stand die Welt am Rande eines Atomkriegs: Die Sowjetunion hatte unter anderem Mittelstreckenraketen auf Kuba installiert, mit denen jeder beliebige Punkt in den USA hätte erreicht werden können. Die Operation Anadyr, die eine gigantische Aufrüstung Kubas vorsah, war bereits im Sommer 1962 angelaufen. Dass Kuba zu einem Flugzeugträger hochgerüstet worden war, wollte der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow anlässlich eines Besuchs bei der UNO im November 1962 der Weltöffentlichkeit bekanntgeben. Doch dazu kam es nicht: Die Raketenstationierung auf Kuba wurde am 15. Oktober von einem US-amerikanischen Aufklärungsflugzeug entdeckt. Die USA verhängten aufgrund der Waffenstationierung eine ‚Quarantäne‘ genannte Blockade um Kuba; die Weltbevölkerung wurde durch eine Fernseh- und Radioansprache John F. Kennedys am 22. Oktober über diese Entdeckung unddievondenUSAgetroffenenMassnahmeninformiert. Aufgrund des massiven Drucks der USA erklärte sich Chruschtschow am 28. Oktober 1962 bereit, die Waffen von Kuba abzuziehen. Obwohl der zwei Wochen andauernde Konflikt friedlich ausging, ist sich die Forschung einig, dass die Welt nie näher an einem atomaren Konflikt stand. Die Kubakrise gilt deshalb als der gefährlichste Moment des Kalten Kriegs. Die Kubakrise ereignete sich zu einer Zeit, als in der Schweiz eine bürgerlich-konservative, antikommunistische Grundstimmung vorherrschte. Der Antikommunismus war kein neu auftretendes Phänomen. Er durchzog sämtliche sozialen Schichten und politischen Strömungen und wurde durch Ereignisse wie den Ungarnaufstand 1956 noch verstärkt. Die Schweiz zählte sich geografisch, ideologisch, wirtschaftlich und staatspolitisch eindeutig zum Westen. Dennoch wurde die Neutralität grossgeschrieben. Aussenminister Max Petitpierre ergänzte diese Doktrin durch die Maximen Solidarität, Universalität, Disponibilität und Wohlstand. Verfolgt wurde damit das Ziel, die Schweiz aus der Kriegsisolation herauszuführen, wobei die Maximen nicht nur der Schweiz, sondern auch Dritten dienen sollten. Um beispielsweise zu zeigen, dass die Schweiz zu internationalen Kooperationen bereit war, wurden die sogenannten Guten Dienste, die diplomatische Vermittlung zwischen zerstrittenen Staaten, angeboten. Seit 1961 vertrat die Schweiz beispielsweise die diplomatischen Interessen der USA in Kuba. Die Geschichte der Schweiz im Kalten Krieg wurde bereits ausführlich aufgearbeitet. Wie aber die Kubakrise in der Schweiz wahrgenommen wurde, ist weitgehend unerforscht. Diese Masterarbeit befasst sich mit der Wahrnehmung und Darstellung der Kubakrise in den Deutschschweizer Medien zwischen dem 23. und 29. Oktober 1962. Als Quellengrundlagen dienen Artikel aus Zeitungen unterschiedlicher politischer Strömungen, Beiträge des Schweizer Fernsehens sowie Karikaturen des Satiremagazins Nebelspalter. Die Quellen konnten im Schweizerischen Sozialarchiv, im Schweizerischen Bundesarchiv und auf der Open-Access-Plattform E-Periodica eingesehen werden. Aus einer kulturhistorischen Perspektive zeichnet die Arbeit die einzelnen Tage der Berichterstattung über die Kubakrise nach. Im Fokus der Analyse stehen die Fragen, welche Ängste (oder auch Hoffnungen) in den Medien adressiert und welche möglichen Zukunftsszenarien entwickelt wurden, wie die antikommunistische Denkströmung die Berichterstattung beeinflusste und inwiefern die Rolle der Schweiz als Vermittlerin in der Kubakrise thematisiert wurde. Die Zeitungsartikel wurden dabei auf ihre Aussagen hin untersucht, während die filmischen Beiträge und die Karikaturen in Anlehnung an die Visual History auf ihre Bildmotive, Personenkonstellationen und Gestaltungselemente interpretiert wurden. Die Arbeit zeigt auf, dass die Deutschschweizer Medien der Kubakrise hohe Beachtung schenkten. Sie bildete an allen untersuchten Tagen einen zentralen Bestandteil der Berichterstattung. Während in den Zeitungsberichten die Blockade vor Kuba im Mittelpunkt stand, fokussierten die untersuchten Fernsehbeiträge die Stärke des amerikanischen Militärs und die antiamerikanischen Demonstrationen. In den Karikaturen des Nebelspalters wiederum stand Chruschtschow als der die Amerikaner täuschende Hauptakteur im Zentrum. Alle Medien entwickelten Szenarien, die durch die Kubakrise hätten ausgelöst werden können. Sie reichten von Sanktionen gegen die USA über die Gefahr eines sowjetischen Gegenschlags in Berlin bis hin zu einem Dritten Weltkrieg. Der Antikommunismus beeinflusste die Berichterstattung massgeblich. So wurde die Sowjetunion bzw. Chruschtschow als irrational, bösartig und verlogen verunglimpft. Dem gegenüber pries man die USA bzw. Kennedy als vernünftig und entschlossen. Die Guten Dienste dagegen spielten in keinem Medium eine Rolle. Die Analyse unterstreicht, dass die Kubakrise schon während ihres Geschehens in der Schweiz als grosse Gefahr wahrgenommen und dargestellt wurde.

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