Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2019/2020
Abstract
Obwohl der alpine Raum und dessen Bewirtschaftung von grosser Bedeutung für die Entwicklung von lokaler, und im Falle der Schweiz sogar nationaler, Identität waren und sind, bestehen diesbezüglich auch noch grössere Forschungslücken. Während es zwar zahlreiche Werke gibt, in denen die Alpen, deren Geschichte und Bedeutung in einem grösseren Kontext erwähnt und untersucht werden, sind Forschungsansätze, welche etwa die Verkehrsgeschichte der Alpen im Mittelalters untersuchen, vergleichsweise rar. Diese Masterarbeit hat zum Ziel, mittels der Untersuchung des alpinen Saumwesens die alpine Lebenswelt besser fassbar zu machen. Beim Saumwesen handelte es sich um lokale Transportorganisationen, welche in der Regel das Transportprivileg entlang eines Teils einer transalpinen Handelsroute innehatten. Die erhaltenen Statuten dieser Organisationen stellen das Quellenkorpus dieser Untersuchung dar, für welche der Untersuchungszeitraum auf das 13. bis 16. Jahrhundert eingegrenzt wurde und deren Untersuchungsgebiet sich grob mit den Kantonen Wallis, Graubünden und Uri deckt.
Im ersten Hauptteil der Arbeit werden die Säumerstatuten nach Region und chronologisch geordnet vorgestellt, da in der bisherigen Forschungsliteratur zum Saumwesen eine solche umfassende Übersicht fehlte. In der Regel wurden entweder nur einzelne Regionen genauer untersucht oder zur Untersuchung eines postulierten sehr homogenen alpinen Saumwesens Statuten aus verschiedensten Zeitperioden und Regionen durchmischt. Mittels dieser nun zeitlich und räumlich differenzierten und geordneten Sammlung von Statuten und einer darauf aufbauenden kontextualisierten Analyse kann in dieser Masterarbeit nachgewiesen werden, dass sich das Saumwesen in den untersuchten Regionen keineswegs homogen, sondern äusserst unterschiedlich präsentierte und entwickelte. So war das Saumwesen des Raumes Wallis stark vom Konflikt zwischen dem Haus von Savoyen und den Sittener Bischöfen geprägt. Letztere gewährten im 13. Jahrhundert zwar im Übereinkommen mit Mailänder Kaufleuten einzelnen Gemeinden Transportprivilegien, doch den dadurch entstehenden Organisationen war, entgegen dem in der Forschungsliteratur häufig anzutreffenden Begriff von „Säumergesellschaften“, ausdrücklich verboten, sich genossenschaftlich zu organisieren und das verliehene Transportmonopol war ausdrücklich temporärer Art. Im Gegensatz dazu waren in Graubünden die Churer Bischöfe zum Entstehungszeitpunkt der ältesten erhaltenen Statuten dieser Region im 14. Jahrhundert zwar auch im Besitz des Transportregals in ihrem Herrschaftsbereich, doch aufgrund eines Dekrets von Kaiser Karl IV. zur Wahrung der bereits existierenden Transportprivilegien von Säumerorganisationen verpflichtet. Im Bereich der Gotthardroute nördlich der Alpen entwickelte sich das Saumwesen durch autonom agierende lokale Gemeinden zwecks der Förderung der Viehwirtschaft. Auch in der weiteren Entwicklung gibt es zahlreiche Unterschiede in den untersuchten Regionen zu beobachten: Während sich im Wallis trotz der von den Sittener Bischöfen sehr aktiv betriebenen Verkehrspolitik bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts eigenständige, von den Gemeinden unabhängig agierende Transportgesellschaften herausbilden konnten, existierten in Graubünden vergleichbare Organisationen erst seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. An den nördlichen und südlichen Zufahrtsstrassen des Gotthards bildeten sich im Untersuchungszeitraum gar keine im eigentlichen Sinne genossenschaftlichen Transportorganisationen aus, da das Land Uri weitgehend erfolgreich die Kontrolle über den Warenverkehr über diesen Pass erlangen konnte und als integralen Bestandteil des Herrschafts- und Wirtschaftssystems aktiv kontrollierte.
Im zweiten Hauptteil werden anhand der präsentierten Quellen einzelne Aspekte sowohl des Saumwesens als auch der damit verbundenen Land- und Viehwirtschaft untersucht. Ein Fokus liegt auf der Untersuchung der sozialen Aspekte des Saumwesens, insbesondere der von der bisherigen Forschung vernachlässigten Frage nach Arbeitsrollen und der Beteiligung von Frauen am Saumwesen. Durch diesen Forschungsansatz kann festgestellt werden, dass nebst der essentiellen Rolle, welche Frauen in der alpinen Landwirtschaft hatten, die mittels der Zucht von Transporttieren, Produktion von Futtermitteln und weiterem mehr das Saumwesen überhaupt erst ermöglichte, Frauen auch sehr aktiv in das Saumwesen involviert waren. So konnten sie, entgegen älteren Auffassungen in der Forschungsliteratur, selbst Saumrechte besitzen und treten etwa in den Statuten aus Graubünden auch als Investorinnen und Strassenarbeiterinnen in Erscheinung.
Anhand der Analyse der Transportorganisation, -technik und -infrastruktur des Saumwesens kann aufgezeigt werden, dass trotz der im ersten Hauptteil fassbar gemachten Unterschiede zwischen den untersuchten Regionen „alpines Saumwesen“ eine valide Kategorie darstellt. Die Organisation des Transports mit Monopolen für Strecken von ca. 30 km. verbunden mit der Übergabe des Transportgutes am Ende jedes solchen Abschnittes an Transporteure der nächsten Gemeinde lässt sich etwa auch von den technisch möglichen Transportdistanzen und der nötigen Umlagerung der Waren auf an den nächsten Streckenabschnitt angepasste Transportmittel herleiten. Ebenso lässt sich für das Saumwesen in den untersuchten Regionen eine Entwicklungstendenz feststellen, die von einer kommunal organisierten Nebenbeschäftigung welche für alle Gemeindemitglieder offenstand, zunehmend in Richtung eines vom Gemeindewesen abgetrennten Berufswesens mit Investitionsmöglichkeiten für vermögendere Personen führte. Damit wird auch aufgezeigt, dass es trotz einer eher spärlichen Quellenlage mittels neuer Forschungsansätze und -fragen durchaus möglich ist, neue Erkenntnisse in diesem Forschungsbereich zu gewinnen. Die in dieser Arbeit gesammelten Quellen bieten auch eine gute Grundlage für weitere Forschungen, so etwa durch die Einbindung weiterer alpiner Regionen, um auf breiterer Basis detaillierte Analysen wirtschafts-, sozial- und umweltgeschichtlicher Art vorzunehmen.