Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Stephan
Scheuzger
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2017/2018
Abstract
Die Masterarbeit befasst sich mit dem Strafregime, genauer mit der Körperstrafe, im belgischen Kongo. Ziel der Arbeit war es, die Entwicklung der Körperstrafe im Spannungsfeld zwischen Abschreckung und Zivilisierungsmission zu untersuchen. Unter dem allgemeinen erkenntnisleitenden Interesse an der Frage nach der Bedeutung der Körperstrafe im kolonialen Strafregime mit seinen unterschiedlichen Strafzwecken der Reformierung, der Zivilisierung und der Abschreckung hat sich die Studie nicht zuletzt mit den folgenden Fragestellungen befasst: Wann erschienen bestimmte Themen des Strafvollzugs auf der politischen Agenda? Wie wurden der Strafkatalog, die Mittel und die Orte des Vollzugs sowie die administrativen Zuständigkeiten diskutiert? Gab es Schlüsselmomente in der Entwicklung? Entlang dieser Entwicklung wurde über den gesamten Zeitraum der Untersuchung betrachtet, wer bestraft wurde, wofür die Strafen ausgefällt wurden, wer die Urteile sprach, wer die Strafen vollzog und wo diese Vollstreckung stattfand. Erste Erkenntnisse aus dem Quellenstudium legten nahe, die Anwendung der Körperstrafe in drei zentralen Anwendungsbereichen differenziert zu betrachten. So wurde die Körperstrafe zum einen unmittelbar zur Sanktionierung von Vergehen eingesetzt. Sie fand aber auch prominent als Disziplinarmassnahme im Strafvollzug im Gefängnis Anwendung. Und sie kam zur Disziplinierung im Rahmen der wirtschaftlichen Ausbeutung der kolonisierten Bevölkerung als Arbeitskräfte in den Minen und Plantagen zum Einsatz. Die Arbeit schreibt sich in eine noch wenig entwickelte Forschung zur Geschichte der Körperstrafe in kolonialen Kontexten ein, zu deren referenziellen Publikationen unter anderen „Surveiller et punir: La naissance de la prison“ von Michael Foucault, „A history of prison and confinement in Africa“ von Florence Bernault oder „Discipline and the Other Body“ von Anupama Rao und Steven Pierce und mit einem Bezug auf den Kongo auch „L’ordre juridique colonial belge en Afrique Centrale“ von Emile Lamy und Louis De Clerck oder „La peine durant la colonisation belge“ von Marie-Bénédict Dembour gehören. Den Hauptteil des Quellenbestandes, anhand dessen die Fragestellung untersucht wurde, bildeten das „Bulletin Officiel du Congo Belge“, Sammlungen von Gesetzestexten, die ab 1924 publizierte „Revue Juridique du Congo Belge“ sowie diverse Briefe und Handschriften.
Zum Zeitpunkt der Übernahme der Kolonie durch den belgischen Staat 1908 war der Diskurs über das Strafen noch von den international öffentlichkeitswirksamen Skandalen der sogenannten „Kongo-Gräuel“ im État Indépendant du Congo geprägt. Entlang der Hinterlassenschaft der Strafregime in der privaten Kolonie des belgischen Königs Leopold II. wurde die Bedeutung der Körperstrafe zunächst weiterhin in der gesellschaftlichen Abschreckung gesehen. In der Folge zeigte sich die Kolonialverwaltung jedoch mindestens darum bemüht, den Charakter der Körperstrafe stärker mit der proklamierten Zivilisierungsmission Belgiens in Afrika in Einklang zu bringen. Dass die Abschreckung indessen weiterhin eine wichtige Rolle spielte, zeigte sich aber gerade auch im Umstand, dass die Körperstrafe nach wie vor im öffentlichen Raum vollzogen und nicht hinter die Mauern der Institutionen zur Disziplinierung der afrikanischen Bevölkerung verlegt wurde. Den Bemühungen um eine stärkere Reglementierung der Körperstrafe, insbesondere der Auspeitschungen mit der zum Symbol des kolonialen Strafens gewordenen chicotte, der Nilpferdpeitsche, standen weite Bereiche gegenüber – insbesondere solche, in denen es direkt um die Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft ging –, in denen wirksame Massnahmen zur Einschränkung der teilweise massiv ausgeübten Gewalt und des Missbrauchs der Körperstrafen fehlten. Der Erste Weltkrieg veränderte zwar die Rahmenbedingungen grundlegend, indem die koloniale Wirtschaft aufgrund der kriegsbedingten Nachfrage nach Rohstoffen einen wesentlichen Aufschwung erlebte und das belgische Territorium selbst besetzt wurde. Änderungen hinsichtlich der Praxis der Körperstrafen gab es indessen kaum. Allerdings häuften sich diesbezüglich sehr kritische Inspektionsberichte aus der Kolonie. Die sich auch aufgrund dieser Berichte verändernden Einstellungen in der belgischen Kolonialadministration sowie unter Politikern in der Metropole konsolidierten sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie schlugen sich aber immer noch nicht in einem klaren Wandel bezüglich der Ausübung der Körperstrafe nieder. Dass der belgische Wiederaufbau gerade auch auf Ressourcen aus der Kolonie angewiesen war, dürfte dafür wesentlich mitverantwortlich gewesen sein. Erst in den Reformen des kolonialen Justizwesens zwischen 1923 und 1926 manifestierte sich die Einsicht, dass mindestens der Willkür beim Einsatz der Körperstrafe ein Riegel geschoben werden musste. Die Reichweite der tatsächlichen entsprechenden Regelungen muss aber letztlich als sehr beschränkt eingeschätzt werden.