Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Büschges
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2017/2018
Abstract
Der Autor untersucht in seiner Masterarbeit die Beziehungen der Schweiz zur chilenischen Militärjunta in der ersten, von Terror geprägten Phase der Diktatur in den 1970er Jahren. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwiefern sich die Menschenrechtsverletzungen der Junta darauf ausgewirkt haben. Ab den 1970er Jahren verstärkte die Schweiz – neben der bereits stark ausgebauten Aussenwirtschaftspolitik – politische Aspekte in ihrer Aussenpolitik, welche, zumindest auf dem Papier, der Förderung der Menschenrechte auf internationalem Parkett mehr Beachtung schenken sollten. Inwiefern dieser Vorsatz in der realpolitischen Praxis umgesetzt wurde, soll anhand von drei ausgewählten Fallbeispielen in den Beziehungen gegenüber dem Regime Pinochets, in der internationalen Öffentlichkeit für seine Verbrechen berüchtigt, thematisiert werden. Die Berichte der schweizerischen Botschafter in Santiago, die Bewilligungspraxis von Kriegsmaterial-Ausfuhrgesuchen und die Teilnahme an den Verhandlungen zur Konsolidierung der chilenischen Aussenschulden im Rahmen des Pariser Clubs geben einen Einblick über die schweizerische Gewichtung der Menschenrechte im Spannungsfeld von neutralitätspolitischen Grundsätzen und aussenwirtschaftlichen Interessen.
Lässt sich bilanzieren, dass die Forderung nach der Einhaltung der Menschenrechte gegenüber neutralitätspolitischen und aussenwirtschaftlichen Erwägungen weiterhin ein Schattendasein fristete, so kann insbesondere hinsichtlich der Bewilligungspraxis von Kriegsmaterial-Ausfuhrgesuchen ein ambivalentes Fazit gezogen werden. Die Schweiz verhängte kurz nach dem Putsch vom 11. September 1973 ein Waffenembargo für Exporte in den Andenstaat, begründete dies jedoch nicht mit menschenrechtlichen Argumenten, sondern mit gefährlichen innenpolitischen Spannungen zwischen dem Regime und Oppositionellen. Eine entscheidende Rolle spielte bei diesem Entschluss der innenpolitische Druck infolge der Bührle Affäre, des Erstarkens pazifistischer Strömungen und der nur knappen Ablehnung der Initiative „für eine vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot“, welche die Bewilligungspraxis von Kriegsmaterial-Ausfuhrgesuchen massiv einschränken wollte.
Der innenpolitische Druck, einen neuerlichen Skandal zu verhindern und das Kriegsmaterialgesetz (KMG) – wie im Abstimmungskampf zur Bekämpfung der Initiative seitens des Bundesrates versprochen – restriktiver anzuwenden sowie das stärkere, wenn auch weiterhin zaghafte Engagement der Aussenminister zugunsten der Menschenrechte kontrastierten mit dem bürgerlichen Einsatz für die hiesige Rüstungsindustrie. Deren Exportinteressen wurden als vital für die Aufrechterhaltung einer schlagkräftigen Armee und somit des Konzepts der bewaffneten Landesverteidigung eines neutralen, unabhängigen Staates betrachtet, der zu grossen Teilen mit Material der einheimischen Rüstungsindustrie ausgerüstet werden sollte. Der Versuch, diese sich widersprechenden Interessen in der realpolitischen Umsetzung zu berücksichtigen, führte zu einer inkohärenten, antagonistischen Politik der Schweiz hinsichtlich der Kriegsmaterial-Ausfuhr gegenüber Staaten wie Chile.
Offiziell kommunizierte die Landesregierung, das KMG werde restriktiv angewendet und das Waffenembargo gegenüber der Junta aufrechterhalten. Gleichwohl tolerierte sie die Lieferung von Kriegsmaterial schweizerischer Rüstungskonzerne via Tochter rmen im Ausland oder indem diese ihre Baupläne und das Material in die Empfängerstaaten schickten, wo es zusammengebaut wurde – wie unter anderem im Falle Chiles nachgewiesen werden konnte. Der Bundesrat versuchte, aussenwirtschaftliche Interessen, neutralitätspolitische Erwägungen und innenpolitische Konzessionen in den Beziehungen gegenüber dem Regime Pinochets unter einen Hut zu bringen, wobeimenschenrechtlicheÜberlegungenzwarzunehmend erwähnt wurden, in der realpolitischen Praxis jedoch weiterhin eine untergeordnete Bedeutung einnahmen, wie sich anhand der untersuchten Fälle in den Beziehungen zur Militärjunta exemplarisch zeigen lässt.