Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2019/2020
Abstract
Die Berner Brauerei Felsenau hatte seit der Gründung 1881 noch nie mehr als ein Prozent Marktanteil am Gesamtumsatz von Bier in der Schweiz. Trotzdem besteht die Brauerei immer noch, während zahlreiche andere, vergleichbare Brauereien heute nicht mehr existieren. Die vorliegende Masterarbeit arbeitet die Unternehmensgeschichte der Brauerei Felsenau auf und will einen Erklärungsansatz bieten, weshalb die über fünf Generationen im Familienbesitz geführte mittelgrosse Brauerei bestehen konnte. Um diese Frage beantworten zu können, müssen die historischen Prozesse des Schweizer Brauwesens ebenfalls einbezogen und die Geschichte der Brauerei Felsenau eingebettet in diese Prozesse betrachtet werden.
Eine Besonderheit des Schweizer Brauwesens war die Organisation als Kartell über weite Strecken des Untersuchungszeitraums. Betrachtet werden in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen des Kartells auf die Entfaltungsmöglichkeiten der Brauerei Felsenau und, ob die Entscheidungsträger das Kartell befürworteten oder als Hemmnis empfanden. Weiter wird untersucht, wie sich die Eigenschaften des Familienunternehmens auf die Beständigkeit und den Erfolg der Brauerei auswirkten.
Als Quellenkorpus werden schwerpunktmässig Geschäftsberichte, Protokolle der Generalversammlungen und der Verwaltungsratssitzungen, Korrespondenzen sowie Zeitungsberichte aus dem nicht öffentlich zugänglichen und nicht systematisch organisierten Unternehmensarchiv der Brauerei Felsenau verwendet. Diese Quellen werden im Hinblick auf die Fragestellung klassisch-hermeneutisch untersucht. Ergänzt werden die Informationen einerseits mit einem qualitativen Experteninterview und andererseits mit quantitativen Analysen von Absatzstatistiken der Brauerei Felsenau sowie aller Schweizer Brauereien.
Die Auswertung der Quellen zeigt, dass das Fortbestehen des Unternehmens nicht immer gesichert war und es Phasen der Prosperität sowie der Krisen gab, die teils Entwicklungen der gesamten Branche geschuldet waren, aber auch Folge von Entscheidungen oder Differenzen in der Besitzerfamilie sein konnten. Der Gründer des Unternehmens brachte die nötigen Vorkenntnisse als Brauer mit, profitierte von einer Wachstumsphase des gesamten Marktes und konnte mit dieser Kombination eine gedeihliche Unternehmung aufbauen. Durch den Kauf von Immobilien mit Bierabsatzstellen konnte die Besitzerfamilie eine hohe Stabilität des Unternehmens erreichen. Die scheinbar fehlende Nachfolge führte zu Verkaufsversuchen und Fusionsplänen, die jedoch scheiterten. In zweiter Generation wurde eine starke Expansion durch wirtschaftliche Krisen und den Verzicht auf die Gründung einer fremdgesteuerten Aktiengesellschaft verunmöglicht. In der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg war das Fortbestehen durch die zunehmenden Kartellstrukturen gesichert. Während des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit konnte das Familienunternehmen unter dem Schirm des Bierkartells florieren. Im Gegenzug für den geschützten Absatz gab die Brauerei Felsenau bereitwillig eine gewisse Eigenständigkeit und Innovationsfähigkeit auf und steigerte den Umsatz durch Diversifikationsbestrebungen im Getränkehandel. Die Kartellstrukturen rächten sich in Zeiten der Krisen, in denen das Unternehmen im Kerngeschäft nicht erfolgreich auf veränderte Marktsituationen reagieren konnte.
Der Zusammenbruch des Bierkartells wurde in der Brauerei Felsenau zwar wahrgenommen, die Reaktion auf den freien Markt fiel anfangs jedoch aus. Erst mit dem Übergang der Geschäftsführung auf die fünfte Generation wurde auf die veränderte Marktsituation eingegangen. Der Verkauf zahlreicher regionaler und nationaler Schweizer Biermarken an Grosskonzerne hatte auf die Brauerei Felsenau – die sich wieder auf ihr Kerngeschäft, die Produktion und den Verkauf von Bierspezialitäten, konzentrierte – einen positiven Einfluss, da die Kunden ein Bedürfnis für regional produzierte Biere entwickelten.