Der Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Bündner Privatbahnen

Nom de l'auteur
Thomas
Kopp
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2018/2019
Abstract
Trotz ihres Status als „Friedensinsel“, den die Schweiz aufgrund der Abwesenheit militärischer Kampfhandlungen erhielt, wurde sie erheblich vom Ersten Weltkrieg beeinflusst. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, in welcher Hinsicht sich damals bestehende und in der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft stark etablierte Institutionen und Unternehmen infolge des Kriegsausbruchs entwickelten, gestaltet sich daher umso interessanter. Eine solche Institution stellen die vier Bündner Privatbahnen (Rhätische Bahn, Ferrovia Bellinzona-Mesocco, Berninabahn und Chur-Arosa-Bahn) dar, die ihren Betrieb trotz des Kriegsausbruchs aufrechterhielten. Es liegt auf der Hand, dass der Erste Weltkrieg in gewisser Form und Ausprägung auch die im Bündnerland gelegenen Privatbahnen beeinflusste. Insbesondere aufgrund der geographischen Lage des Kantons Graubünden, der sowohl an Österreich, Liechtenstein als auch an Italien grenzt, seiner stark touristischen Wirtschaftsausrichtung sowie des Automobilverbots und der daraus entstandenen hohen Nutzung der Eisenbahnen bis 1925 liegt ein signifikanter Einfluss des Ersten Weltkriegs auf den Betrieb der Bündner Privatbahnen nahe. Die Masterarbeit verfolgt aus diesem Grund das Ziel die Geschichte der vier Bündner Privatbahnen für die bisher wissenschaftlich weitgehend unerforschte Zeitspanne von 1914 bis 1918 zu rekonstruieren, indem der Einfluss des Ersten Weltkriegs auf ebendiese Bahnen analysiert wird. Gefragt wird dabei insbesondere, inwiefern und in welchem Ausmass der Erste Weltkrieg die Bündner Privatbahnen beeinflusste. Für die Beantwortung dieser Forschungsfrage bedarf es der Anwendung qualitativer sowie quantitativer Methoden, indem unter anderem nicht nur innerbetriebliche Mitteilungen, militärische Weisungen und historische Baupläne, sondern auch bahnstatistische Daten ausgewertet werden. Die daraus resultierende Kombination aus qualitativen, wie auch quantitativen Methoden hat ein Mixed-Methods-Ansatz zur Folge, der ermöglicht, die Vorteile beider Methoden miteinander zu vereinen und eine umfassende Antwort auf die erkenntnisleitende Forschungsfrage zu generieren. Dabei konnten folgende Ergebnisse erzielt werden: Erstens nahm der Erste Weltkrieg auf organisatorischer Ebene sehr starken Einfluss auf sämtliche Bündner Privatbahnen, indem diese mit dem Kriegsausbruch den Militärgesetzen unterstellt und in vom Eidgenössischen Militärdepartment geleiteten Betriebsgruppen eingeteilt wurden. Mit der befohlenen Bewachung der Bahn – die allerdings nur die Rhätische Bahn und die Berninabahn betraf –, den auf die Bedürfnisse der Armee ausgerichteten Fahrplänen sowie den weiteren kriegsbedingten Zusatzleistungen wurde der Betrieb der Bündner Privatbahnen massiv vom Ersten Weltkrieg geprägt. Zweitens zeigt die Analyse der wirtschaftlichen Folgen des Kriegsbetriebs auf, in welchem Ausmass der Erste Weltkrieg den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg bestimmte. Hierbei sind markante Unterschiede innerhalb der statistischen Daten der Bündner Privatbahnen auszumachen, wobei zusammenfassend die Berninabahn als grosse Verliererin und die Chur-Arosa-Bahn als Profiteurin des Ersten Weltkriegs zu betiteln sind. Die Rhätische Bahn litt ebenfalls stark unter den Folgen des Kriegs, erholte sich in der Nachkriegszeit jedoch schnell, während die Ferrovia Bellinzona-Mesocco während der gesamten Kriegsdauer im Verhältnis zu den anderen Bündner Privatbahnen relativ konstante wirtschaftliche Werte verzeichnete und daher ein geringer Kriegseinfluss auszumachen ist. Drittens ist dem Ersten Weltkrieg in Bezug auf den gescheiterten Eisenbahnausbau im Kanton Graubünden nach 1913 nur eine marginale Rolle zuzuschreiben. Hauptsächlich verursachten lange politische Verhandlungen und offene Finanzierungsfragen ein zeitliches Hinauszögern der geplanten Bauvorhaben, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ihr endgültiges Ende fanden. Viertens ist die beschleunigte Elektrifizierung des Streckennetzes der Rhätischen Bahn als positive Folge des Ersten Weltkriegs respektive der daraus entstandenen Kohlennot anzusehen. Hingegen fand der Wandel von einer reagierenden zu einer präventiven Sicherheitsstrategie bezüglich Naturgefahren zwar in der Zeitspanne des Ersten Weltkriegs seinen Ursprung, wurden von diesem jedoch in keiner Weise geprägt. Obschon die Masterarbeit mit ihren neuen Erkenntnissen den Forschungsstand bezüglich der Geschichte der Bündner Privatbahnen zu Zeiten des Ersten Weltkriegs zu erhöhen vermag, bedarf es einer erweiterten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik. So stellt zum einen die Kohlensituation in der Schweiz zu Zeiten des Ersten Weltkriegs ein ungenügend unerforschtes Themenfeld dar, worin beispielsweise der Frage nachgegangen werden kann, in welcher Hinsicht sich die Kohlenknappheit respektive die daraus entstandene erhöhte Nachfrage an Holz auf die Waldbestände im Kanton Graubünden auswirke. Zum anderen wäre eine vertiefte Analyse der in der Arbeit angesprochenen Bündner Kutscher und Fuhrleute interessant, indem zum Beispiel ihr Beitrag an den Güterverkehr mit den im Kanton Graubünden gelegenen Privatbahnen verglichen werden könnte.

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