Die Preisfrage der Ökonomischen Gesellschaft Bern zum „Geist der Gesetzgebung“ (1764) – Politische Ökonomie im Diskurs

Nom de l'auteur
Lorenz
Schläfli
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
André
Holenstein
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2013/2014
Abstract
Gegenstand der Masterarbeit ist die Preisfrage der Ökonomischen Gesellschaft Bern zum „Geist der Gesetzgebung“ im Jahr 1764. Diese Preisfrage war zum einen besonders, weil sie vom polnischen Grafen Michael Mniszech gestiftet wurde, zum anderen war sie mit 25 eingegangenen Wettschriften die dritterfolgreichste Preisfrage der Ökonomischen Gesellschaft Bern überhaupt. Die Quellengrundlage bildeten sämtliche Wettschriften, von denen die vier Siegerschriften in gedruckter, alle weiteren in handschriftlicher Form zugänglich sind. Die Preisfrage lautet im Wortlaut: „Welches muss der wahre Geist der Gesetzgebung seyn, die zum enzweke hat: den Feldbau; und in absicht auf diesen höchstwichtigen gegenstand, die Bevölkerung, die Künste, die Manufakturen und die Handlung in aufnahme zu bringen?“ Zunächst wurden die Fragen erörtert, welche Rolle die Preisschriftenautoren den einzelnen wirtschaftlichen Sektoren, der Bevölkerung und der Gesetzgebung beimassen und in welchem Zusammenspiel sie die Sektoren miteinander verknüpften. In Bezug auf den Geist der Gesetzgebung konnte ein entscheidender Einfluss der Milieu-Theorie von Montesquieu auf zahlreiche Preisschriftenverfasser nachgewiesen werden. Zu wesentlichen Teilen bestimmte der Aufbau der Preisfrage die Erarbeitung inhaltlicher Lösungsvorschläge vor. Aus dem Begleitschreiben Mniszechs geht die eindeutige Favorisierung der Landwirtschaft hervor. Eine überwiegende Mehrheit der Autoren gab denn auch der Landwirtschaft eine prioritäre Stellung, beachtlich war zudem jene, die sie der Bevölkerung zuwiesen. Einige Preisschriftenautoren legten weiter einen Schwerpunkt auf die Künste und Manufakturen, wenngleich sie auch da wiederum die Landwirtschaft als Rohstoffquelle für das verarbeitende Gewerbe vorzogen. Mehrfach wurde die Befürchtung vorgebracht, die Künste und Manufakturen könnten der Landwirtschaft hinderlich sein, indem sie jener die Arbeitskräfte entziehen würden. Die Freiheit des Getreidehandels wurde zwar angestrebt, jedoch nur solange, wie sie in geordneten Bahnen ablief. Das Gesamtsystem, das zu charakterisieren den prämierten Autoren überdurchschnittlich gut gelang, zeichnet sich als ein System von Wechselbeziehungen aus, in dem die Landwirtschaft, allenfalls im Zusammenspiel mit der Bevölkerung, die zentrale Rolle ausfüllte. Hinsichtlich der Frage nach den grundsätzlichen Denkströmungen in den Wettschriften zum Geist der Gesetzgebung konnte aufgezeigt werden, inwieweit sich das Siegerprofil durch besonders gelungene Darstellungen zum wechselseitigen Zusammenspiel zwischen den einzelnen Sektoren auszeichnete. Das Siegerprofil besteht in einer ökonomisch-patriotischen Ausrichtung mit einer physiokratischen Tendenz. Die Landwirtschaft geniesst dabei den Vorrang, bei ihr handelt es sichdennochnichtumdieeinzigwertschöpfende Quelle im physiokratischen Sinn. Alle vier publizierten Preisschriften sowie jene von acht weiteren Autoren konnten dem ökonomischpatriotischen Siegerprofil mit physiokratischem Einschlag zugeordnet werden. Auf der Grundlage der Wettschriften konnten weitere Profile erarbeitet werden, namentlich ein im Vergleich zum Siegerprofil stärker physiokratisches und ein stärker merkantilistisches sowie eine moralphilosophische Bearbeitung der Preisfrage. Die Schriften von meist sehr geringem Umfang konnten aufgrund von partieller oder oberflächlicher Beobachtungen nicht oder nicht sinnvoll einem dieser Profile zugeordnet werden. Schliesslich konnte gezeigt werden, dass das ökonomisch-patriotische Siegerprofil mit physiokratischem Einschlag auf den Preisstifter Mniszech und die Ökonomische Gesellschaft übertragen werden können. Mniszech nahm eine Vorselektion der Preisschriften vor, weshalb die Auswahl der prämierten Preisschriften auch die Meinung des Preisstifters abbildet. Die summarische Abhandlung vom französischen Sekretär der Gesellschaft, Elie Bertrand, in dem er die Landwirtschaft als Leitsektor betont und ein Gesamtsystem der politischen Ökonomie entwickelt, illustriert, dass die Ökonomische Gesellschaft Bern Ende 1764 der Denkströmung des Siegerprofils verpflichtet war.

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