Type de travail
Thèse
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Philipp
Sarasin
Institution
Neuzeit
Lieu
Zürich
Année
2020/2021
Abstract
Das Dissertationsprojekt will die Produktion von Wetter- und Klimawissen und dessen Zirkulation in Publikumsmedien und Populärkultur in der Zeit des Kalten Krieges untersuchen. Der Wissensraum Meteorologie wurde während des Kalten Krieges von einem Paradoxon beherrscht. Einerseits bedingten seine buchstäblich globalen Gegenstände - Wetter und Klima - eine Kooperation über die Fronten des Konflikts hinweg und funktionierte damit auch als eine Art „neutraler“ Rückzugsraum für Entspannungspolitik. Andererseits war der Aufstieg der Meteorologie in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eng gekoppelt an die Entwicklung neuer, im Rahmen der rüstungstechnischen Konkurrenz entwickelter Technologien (Radar-, Raketen-, Satelliten- Computertechnik). Als die IBM-Grossrechner ab den 1950er Jahren es ermöglichten, komplexe Daten zu konkreten Wetterprognosen und zu ersten globalen Klimamodellen zu verarbeiten, wurde die Atmosphäre als „Wettermaschine“ zu einem Raum, der mit unterschiedlichen Phantasien, Ängsten und Bedürfnissen bespielt wurde. Meteorologen, Politiker und Militärs gingen davon aus, in Zukunft nicht nur präzise, langfristige Wetterprognosen erstellen, sondern auch aktiv in Klima und Wetter eingreifen zu können. Die Atmosphäre war damit nicht mehr nur ein Raum, der beobachtet und analysiert wurde, sondern ein Raum, der grundsätzlich beherrscht und in den aktiv eingegriffen werden konnte. In der Folge wurden in Ost und West an konkreten und ambitionierten Programmen zu Wettermodifikation, Geo-Engineering und “Wetterwaffen” gearbeitet. Seit Ende der 1950er Jahre herrschte analog zur „Raketenlücke“ die Furcht vor einer „Wetterlücke“. Die Meteorologie als Wissensraum,aber auch der “konkrete” Raum der Atmosphäre, wurden damit in die Strukturlogik des Kalten Krieges integriert und damit zu „Ersatzschlachtfeldern“ der Supermächte.
Spätestens ab den 1970er Jahren rückte das Klima ins Zentrum des Interesses und die Meteorologie stieg zur „Megascience“ des Klimawandels auf. Zunächst dominierten in der Fachwelt wie auch in der Öffentlichkeit Theorien, die von einem globalen Abkühlungsprozess ausgingen. In der Vorstellung einer drohenden, apokalyptischen Eiszeit scheint klimatologisches Fachwissen mit den Ängsten vor einer nuklearen Katastrophe zu konvergieren. Angesichts der vermeintlich bevorstehenden Eiszeit plante man massive Eingriffe ins Erdsystem. Noch immer wurde die Atmosphäre als „eroberter“, beherrschbarer Raum gedacht.
Erst in einer komplexen Gemengelage von aufkommendem Umweltbewusstsein, Einsicht in die „Grenzen des Wachstums“ und klimatologischen Wissen um einen anthropogenen Klimawandel begannen der Umwelt- und Klimadiskurs zu „kippen.“ Die Atmosphäre, Wetter und Klima erschienen nun als zu komplex, als dass Eingriffe gerechtfertigt werden könnten. Die sich überlappenden Wissensfelder von Politik, Militär und Wissenschaft zogen sich aus dem Raum der Atmosphäre zurück, welche damit zu einer Art vormodernem „geheiligten“ Raums wurde.
Methodisch zielt das Projekt mit einer wissensgeschichtlichen Herangehensweise darauf, das Verhältnis zwischen Meteorologie und der Blockkonfrontation herauszuarbeiten. Die Analyse beschränkt sich nicht auf den wissenschaftlichen Diskurs, sondern soll die Konstitution und Zirkulation von „Orientierungswissen“ (Hagner/Sarasin) in und durch Publikumsmedien herausarbeiten. Mit der Verwendung des Begriffs Zirkulation wird nicht von einem hierarchischen, sondern von einem reziprok gedachten Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit ausgegangen.
Dabei geht es schliesslich um die epistemologische Frage, wie und unter welchen medialen, technischen, diskursiven sozialen und kulturellen Bedingungen Wissen generiert wird, zirkuliert und sich dabei verändert.
Das Projekt verfolgt das Ziel, sich dem Thema mittels vier Hauptfragen zu nähern: Erstens geht es darum, herauszuarbeiten, welche Begriffe und Argumente es den Meteorologen ermöglichten, im Kalten Krieg ein das Publikum überzeugendes „wahres“ Wissen über das Wetter zu erzeugen. Wie erscheint der Raum der Atmosphäre und dessen Phänomene Wetter und Klima im medialen Dispositiv der Zeit des Kalten Krieges? Zweitens gilt es zu fragen, inwiefern die Meteorologie sich als Kriegswissenschaft einsetzen liess, die Techniken und Strategien der „Wetterkriegsführung“ entwickelte und ganz allgemein dem Freund-Feind-Schema des Kalten Krieges folgte – und wie dieser Einsatz in den populären und Publikumsmedien verhandelt wird. Drittens ist aber umgekehrt auch zu fragen, wie weit die grundsätzlich globale Logik des meteorologischen Wissens und die für die Meteorologie essentielle internationaler Kooperation es ihr ermöglichte, sich der Logik des Kalten Krieges dann auch wieder zu entziehen. Es stellt sich namentlich die Frage, wann und unter welchen Bedingungen der „Wetterkriegs“-Diskurs erscheint, um dann beinahe lautlos zu verschwinden. Viertens: Ab den 1970er Jahren begannen die Meteorologen, vom Klimawandel zu sprechen. Dies führt zur Frage, unter welchen Bedingungen und in welchem Zusammenhang die grundlegenden Paradigmen des heute noch geführten Wetter- und Klimadiskurses aufkommen.