Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Marina
Cattaruzza
Institution
Historisches Institut
Année
2014/2015
Abstract
Im Jahre 1932 geriet der spektakuläre Aufstieg der NSDAP in Deutschland gleich mehrfach ins Stocken. Adolf Hitler schien sich mit seinem Alleinherrschaftsanspruch in eine politische Sackgasse manövriert zu haben. Vor diesem Hintergrund fanden mit den Reichstagswahlen vom 6. November 1932 bereits die fünften grossen Wahlen in diesem Jahr statt, die für die NSDAP einen erstmaligen Rückgang an Wählerstimmen zur Folge hatten. Eine erneute Abweisung Hitlers durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, parteiinterne Querelen und massive finanzielle Probleme bei der NSDAP weckten bei ihren Gegnern und späteren Opfern die Hoffnung, die Hitler-Partei hätte ihren Zenit überschritten und werde über kurz oder lang in der politischen Versenkung verschwinden. Ein ganz und gar nationalsozialistisches Deutschland schien nicht mehr im Bereich des Möglichen zu liegen. Es sollte jedoch anders kommen. Wenige Monate später hatten Hitler und die NSDAP mit der Ausschaltung der Volksvertretung und der politischen Opposition die Weichen für die künftige NS-Diktatur gestellt. Die deutschen Juden gehörten dabei nicht nur zu den ersten Opfern der Hitler-Diktatur, sondern waren bereits vor Hitlers Machtantritt in Deutschland eine stark bedrängte und ausgegrenzte Minderheit. Dies manifestierte sich tagtäglich und schonungslos durch massive antisemitische Hetze, politischen Boykott und der Verdrängung aus der deutschen Öffentlichkeit.
Vor dem Hintergrund der untergehenden Weimarer Republik und der im Entstehen begriffenen NS-Diktatur spielte die deutschsprachige jüdische Presse eine besonders wichtige Rolle als Nachrichten- und Informationsquelle sowie als emotionale Stütze in Zeiten der Bedrängung und Verfolgung. Der Aufstieg der NSDAP, die massive antisemitische Hetze der Nationalsozialisten, die Ausschaltung der jüdischen Bevölkerung aus der deutschen Öffentlichkeit sowie Hitlers Machtergreifung 1933 und deren unmittelbare Konsequenzen für das deutsche Judentum machten verständlicherweise einen grossen Teil der jüdischen Presseberichterstattung im In- und Ausland aus. Für diese Masterarbeit wurden als Primärquellen fünf deutschsprachige jüdische Zeitungen untersucht. Es waren dies Presseorgane die sich in ihrem Selbstverständnis als „jüdisch“ identifizierten und von jüdischen Journalisten für ein jüdisches Lesepublikum publiziert wurden. Die gewählten Zeitungen waren auf politischem, religiösem und ideologischem Spektrum unterschiedlich positioniert und gaben somit jeweils ihre eigene Sicht der Dinge wieder. Es handelte sich bei den erwähnten Periodika konkret um die CV-Zeitung und die Jüdische Rundschau aus Deutschland, die Wahrheit und die Neue Welt aus Österreich sowie um das Israelitische Wochenblatt für die Schweiz. Diese Zeitungen, die im Rahmen dieser Arbeit über einen Zeitraum von 6 Monaten, vom November 1932 bis zum Ende des Monats April 1933, analysiert wurden, deckten einen Grossteil der veröffentlichten jüdischen Meinung ab und lieferten in ihrem länderübergreifenden Vergleich wertvolle Erkenntnisse. In dieser Arbeit werden, nebst den jeweiligen Eigenheiten der untersuchten deutschsprachigen Judentümer, vor allem die omnipräsenten innerjüdischen Grabenkämpfe zwischen liberal-assimilierten und zionistisch gesinnten Juden sichtbar, die, nicht zuletzt aufgrund des NSDAP-Aufstieges in Deutschland und Österreich, deutlich an Brisanz gewannen.
Ziel der Arbeit ist dabei nicht, die Geschichte der NS-Machtergreifung in ihrer Gesamtheit anhand der jüdischen Presse nachzuerzählen, wenn auch die historische Kontextualisierung der analysierten Ereignisse zum strukturellen Verständnis unabdingbar ist. Vielmehr sollen die Quellen selbst Zeugnis ablegen und dem Betrachter die facettenreiche und turbulente Zeit des Untergangs der Weimarer Republik und der NS-Machtergreifung, im Spiegelbild der deutschsprachigen jüdischen Presseberichterstattung, vor Augen führen. Dabei werden Erwartungen, Ängste und Hoffnungen herausgearbeitet, welche die deutschen Juden und die deutschsprachigen Juden Österreichs und der Schweiz hinsichtlich der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ereignisse in der Zeit der NS-Machtergreifung hegten und wie sich diese in der jüdischen Presse manifestierten. Dazu wird der Frage nachgegangen, wie das deutsche Judentum seine Stigmatisierung und Ausschaltung aus dem öffentlichen Leben wahrnahm und welche Implikationen sich daraus für das deutschsprachige Judentum ausserhalb Deutschlands ergaben. Ausserdem wird auf die spezifischen Charakteristika der analysierten Periodika und ihrer jeweiligen Positionierung gegenüber ihrer jüdischen und nichtjüdischen Umwelt eingegangen. Die herausgearbeiteten Erkenntnisse werden dabei anhand zahlreicher Originalzitate, die gleichzeitig den Sprachduktus der Jahreswende 1932/1933 wiedergeben, verdeutlicht.