In dieser Arbeit wurde mit Hilfe einer Sozialen Netzwerkanalyse der Einfluss der kommunistischen Doktrin auf die offiziellen diplomatischen Beziehungen in Jugoslawien und Albanien untersucht. Zu diesem Zwecke wurden die Interaktionen zwischen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) und der KommunistischenPartei Albaniens (KPA) am Fallbeispiel des Kosovo untersucht. Dabei war die Hauptfrage, ob die kommunistischen Führungen der jeweiligen Länder bei nationalen Fragen internationalistisch odernationalistisch argumentierten. Für diese Fragestellung erscheint das Kosovo als ein angebrachtes Fallbeispiel, weil das Kosovo historisch ein Gebiet war, um das sich die albanischen und serbischen Nationalisten gestritten haben und weil das Kosovo stets ein Krisenherd in der Region darstellte. So waren beide Parteien daran interessiert, die Problematik des Kosovo zu lösen.
Schon während des Zweiten Weltkrieges gab es Bemühungen zwischen der KPJ und KPA bezüglich der Zukunft des Kosovo. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden diese Bestrebungenzur Lösung der Kosovo Frage intensiviert. Aus den untersuchten Quellen geht hervor, dass Hoxha bei seinen Besuchen bei Tito die Kosovo Frage mehrmals thematisiert hatte. Die politische Führung in Belgrad deklarierte zwar öffentlich, dass sie willens sei, die Problematik des Kosovozu lösen und eine Vereinigung des Kosovo mit Albanien zu akzeptieren, doch sei noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Die albanischeFührung hingegen behauptete zwar von 1945 bis 1953 öffentlich immer wieder, dass das Kosovoalbanisches Gebiet sei und demnach zu Albanien gehören müsste, doch sah die albanische Führung die Lösung der Kosovo Frage stets als ein langfristiges Projekt, in dem die KPJ mehr zu bestimmen hätte als die KPA. Denn die KPA stand zwischen1941 und 1948 unter grossem politischen, militärischen und wirtschaftlichen Einfluss der KPJ. Dieser Abhängigkeit waren sich die Führer der KPA durchaus bewusst. So beharrten die albanischen Kommunisten einerseits – zwar in einemgemässigten Ton – darauf, dass das Kosovo an Albanien angegliedert werden sollte, doch andererseits fügten sie stets hinzu, dass diese Angelegenheit in der Kompetenz der KPJ liege und dass dieses Problem in beidseitigem Einverständnisder beiden Parteien gelöst werden müsse. Die erwähnte politische, wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit der albanischen Kommunisten von ihren jugoslawischen „Genossen“ führte zu diesen schüchternen Forderungen der KPA.
Zur Lösung der Kosovo Frage und um die albanische Führung von der Idee eines „Grossalbaniens“ abzulenken, schlug die jugoslawische Regierung mehrere Projekte vor, die letzten Endesauf eine Angliederung Albaniens an Jugoslawien abzielten. Sowohl die von den Jugoslawen vorgeschlagene Balkanallianz als auch die Integration Albaniens in die Föderative Volksrepublik Jugoslawien sahen vor, dass Albanien eine Art Satellitenstaat werden sollte. Die albanische Regierung, die von der Moskauer Führung angehalten wurde, bezüglich der Alianzpläne Belgrads Vorsichtwalten zu lassen, schlug mehrere Male vor, dass die Frage des Kosovo nach dem leninistischen Selbstbestimmungs und Sezessionsrecht gelöstwerden sollte. Die jugoslawische Führung selbstpropagierte auch dieses leninistische Selbstbestimmungs- und Sezessionsrecht, doch de facto wurde der Status des Kosovo wie alle anderen Fragen des sozialistischen Jugoslawiens von oben diktiert. Die Region des Kosovo erhielt letzten Endes einen autonomen Status in der Föderalistischen Volksrepublik Jugoslawien. Vor diesem Hintergrund wardas leninistische Prinzip des Selbstbestimmungs- und des Sezessionsrechts also nur ein rhetorisches Mittel der KPJFührung, um die KPAFührung bis auf Weiteres zu vertrösten.Die Argumentation der beiden politischen Führungen, d.h. der KPJ und KPAFührung, in Bezug auf die Kosovo Frage war in den Quellen nationalistisch. Der Gebrauch von Begriffen wie das „leninistische Prinzip des Selbstbestimmungs und des Sezessionsrechts“, die Verurteilung der „reaktionär nationalistischen Propaganda“im Kosovo und der Versuch der jugoslawischenFührung, die Idee der „Einheit und Brüderlichkeit“ auf das ganze Territorium auszuweiten, umd en nationalistischen Patriotismus durch einen„sozialistischen Patriotismus“ zu ersetzen, sind deutliche Anzeichen für eine nichtnationalistische Argumentation seitens der jugoslawischen Führung. Auch die Führung der KPA, die das „leninistische Prinzip des Selbstbestimmungs – und des Sezessionsrechts“ als heilig propagierte, bediente sich internationalistischer Argumente. Des Weiteren appellierte die albanische Führung an den Patriotismus der albanischen Bevölkerung in Jugoslawien. Sie tat dies nie mit nationalistischen Termini, sondern mit einem Gemisch aus patriotischen und internationalistischen Aufrufen. Doch lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Rhetorik absichtlich internationalistisch gewählt wurde ,um vom politischen Gegner nicht als Chauvinist angeklagt zu werden
Der Einfluss der kommunistischen Parteien auf die offiziellen diplomatischen Beziehungen. Das Fallbeispiel des Kosovo"
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Marina
Cattaruzza
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2009/2010
Abstract