Das Thema dieser Lizentiatsarbeit ist die Entzauberung von Monstern in der abendländischen Geschichte, mit einem Schwerpunkt auf dem medizinischen sowie dem philosophischtheologischen Diskurs im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Im Vordergrund steht dabei der Wandel von Begrifflichkeiten, besonders während des 18. Jahrhunderts. Dieser Wandel wird anhand von zwei Debatten behandelt: die „Querelle des monstres“ innerhalb der Medizin sowie die Theorie über den Einfluss des Imaginären der Frau auf den Fötus. Die Teilnehmer dieser Debatten werden in der Arbeit in zwei Gruppen – Denkkollektive – aufgeteilt: die „Philosophes“ (als Vertreter der französischen Aufklärung) und die „AntiPhilosophes“ (hauptsächlich Jesuiten). Als Quellen wurden, neben zeitgenössischen Monographien, vor allem die Encyclopédie von Didérot und D‘Alembert, der jesuitische „Dictionnaire de Trévoux“, sowie der „Dictionnaire de l‘Académie française“ herangezogen.
Anhand dieser Quellengrundlage zeigt sich, dass der Begriff des Monsters hauptsächlich innerhalb von juristischen und medizinischen Kategorien benutzt wurde. Der Übergang vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Monster kann anhand dieser beiden Kategorien erklärt werden. Galten im Mittelalter monströse Missbildungen als Botschaften Gottes, waren sie gemäss dem modernen Verständnis vorübergehend nicht erklärbare natürliche Phänomene. Im Hintergrund dieses Wandels standen eine veränderte Körperwahrnehmung sowie der Übergang vom mittelalterlichen Gottesrecht hin zu der sich auf empirische Beweise stützenden modernen Rechtsprechung.
Folgt man dabei der medizinischen Debatte über den Einfluss des Imaginären der Frau auf den Fötus, zeigt sich, dass die ursprünglichen Monster, die als Regelverstösse wahrgenommen wurden, während des 18. Jahrhunderts nicht mehr mit der neuen Konzeption des Begriffes des Imaginären vereinbar waren. Damit lässt sich weiter zeigen, dass die Problematik des Monsters und des Imaginären bis weit in die Antike zurückreichte. Damals waren Monster jene Wesen, die ihren Artgenossen unähnlich waren – wie in der mittelalterlichen Auffassung, als das Monster von ausserhalb und unerwartet kam. Das Monster stellte einen direkten Kontakt zum Übernatürlichen oder zu Gott her. Es unterschied sich klar vom Menschen. Das Monster in den Naturwissenschaften hatte dagegen lediglich eine abweichende Funktionsweise 34von normalen menschlichen oder tierischen Körpern. Dabei geriet die in der antiken Tradition stehende Erklärung der Kirche in immer stärkere Bedrängnis. Die Medizin und Anatomie beschäftigte sich grundsätzlich nur mit den Monstrositäten (den Missbildungen) und liess das Monströse (das angstmachende Übernatürliche) des Monsters beiseite. Damit veränderte sich die Wahrnehmung des Monsters. Die Analogie zwischen dem Monster und aussergewöhnlichen Ereignissen wich der Beschreibung besonderer, abweichender Funktionsweisen von Körperteilen. Dabei galt das Hauptinteresse der Forscher den Missbildungen, wobei die Monster an sich in den Hintergrund gerieten. Der Begriff des Monsters stand für eines von vielen Naturprinzipien, anhand derer die Monstrosität als natürliche Abweichung erklärt werden sollte. Dies zeigt, wie die Aufklärer ebenfalls Probleme mit den Monstern bekamen, da sie Mühe hatten diese kategorial einzuordnen.
Die antike Deutung des Monsters wurde seit der Renaissance langsam von den aufkommenden Naturwissenschaften verdrängt. Dabei musste das Monster bewiesen werden. Es war nicht mehr aufgrund seiner Unähnlichkeit direkt sichtbar, sondern es musste über natürliche Prinzipien sichtbar gemacht werden – dies benötigte Zeit. Damit verlor das Monster seinen Symbolcharakter, den es während des Mittelalters auszeichnete, als es durch sein blosses Erscheinen die geltenden Regeln in Frage stellte. Im Zuge dieser Entwicklung scheint die Frage nach den Monstern in Vergessenheit geraten zu sein. Körperliche Missbildungen blieben zwar ein medizinisches Thema, galten jedoch nicht mehr als Regelverstösse. Monster standen für unerklärliche Abweichungen vom normalen Ablauf der Natur. Damit verlor das Monster als missgebildeter Mensch seinen Bezug zum Delikthaften. Es verstiess gegen keine juristischen Gesetze mehr – wenn der Verstoss nicht über materielle Beweise nachgewiesen wurde. Das Monster stand für das, was man noch nicht verstand. Damit waren sie kein sonderlich nützliches natürliches Prinzip – zumindest gemäss der Forderung nach der positiven Nutzbarmachung des Wissens von Aufklärern wie Bacon. Monster überbrachten ihnen keine Botschaften Gottes mehr oder amüsierten sie auf Jahrmärkten, sondern standen ihnen, bei ihrer Erklärung der Welt im Weg.
Monster und das Imaginäre im Frankreich des 18. Jhdts. Am Beispiel der Debatte über den Einfluss des Imaginären der Frau auf den Fötus
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2007/2008
Abstract