Zwischen Friedenswunsch und Weltrevolution. Die Vietnamsolidarität in der Schweiz 1965-1974

Nom de l'auteur
Marc
Griesshammer
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Albert
Tanner
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2005/2006
Abstract

Die Arbeit „Zwischen Friedenswunsch und Weltrevolution“ untersucht den Verlauf der Vietnamsolidarität bzw. der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung, sowie die Beweggründe, Motive und Ziele verschiedener engagierter Protagonisten und Gruppierungen. Weiter beschäftigt sich die Arbeit mit der Bedeutung der Antivietnamkriegsbewegung für die Protestkultur der Neuen Linken. Dabei stützt sie sich einerseits auf zeitgenössische Dokumente, vorwiegend aus den Beständen des Schweizerischen Sozialarchivs und des Archivs für Zeitgeschichte der ETH-Zürich, andererseits auf Interviews mit drei damals im Kreise der Neuen Linken in Bern, dem „forum politicum“, engagierten Personen.

 

Die Arbeit ist so aufgebaut, dass sie sich von zwei Seiten der Vietnamsolidarität nähert: Einerseits ausgehend von den verschiedenen politischen Kräften, Friedensaktivisten und Hilfsorganisationen, welche bereits im Umfeld der Schweizerischen Gesellschaft gegen die atomare Aufrüstung organisiert waren, andererseits ausgehend von der sich formierenden Neuen Linken. Den konzeptuellen und formalen Mittelpunkt der Arbeit bildet das Kapitel über den Nationalen Vietnam-Tag vom 22. Juni 1968, welcher die unterschiedlichsten Gruppierungen und Protagonisten vorübergehend zu einen vermochte. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Auflösung der lockeren „Aktionsgemeinschaft“ der Friedensbewegung mit der Neuen Linken sowie deren innere Ausdifferenzierung thematisiert;

dazu die Auswirkungen der Vietnambewegung auf die Medienberichterstattung sowie die Neutralitätsdiskussion und schliesslich die Bedeutung der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung für die weitere Entwicklung der Neuen Linken.

 

Eine zentrale Rolle spielt dabei die in die Arbeit eingebettete Fallstudie über das „forum politicum“ Bern. Diese lockere Organisation, die 1966 von drei Berner Studenten gegründet wurde, entwickelte sich zu einer Art Dachorganisation der Neuen Linken in der Stadt Bern und übte einen wesentlichen Einfluss auf die Vietnamsolidarität in Bern aus.

 

Dass es sich in der Schweiz um eine Vietnamsolidarität und nicht um eine einheitliche Anti-Vietnamkriegsbewegung handelte, ist eine der sechs zentralen Feststellungen der Arbeit.

 

Zweitens zeigt sie, dass diese Solidarität hauptsächlich von zwei Kräften getragen wurde. Zum einen von den durch die Atomwaffenfrage mobilisierten Friedensaktivisten, welche es in Bezug auf Vietnam immer wieder fertig brachten, verschiedene Kreise mit unterschiedlichen Partikulärinteressen zu einen. Dazu gehörten Rüstungsgegner und Kriegsdienstverweigerer, kirchliche Kreise und Organisationen mit einer humanitären Tradition und auch immer wieder kritische Stimmen diverser Kulturschaffender. Zum andern von der studentischen Neuen Linken, welche ab 1968 das Bild der Vietnam-Solidarität zu dominieren begann.

 

Der Grund, und das ist die dritte Erkenntnis, weshalb es nicht zu einer geschlossenen Bewegung kam, waren vor allem die unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich Zweck und Ziele der Proteste. Auf der Seite der Friedensaktivisten stand der Wunsch nach Friedensverhandlungen und eine aktive Schweizer Politik im Vordergrund. Dagegen ging es der Neuen Linken um eine grundsätzliche Kritik an der eigenen Gesellschaft, wobei Vietnam als Projektionsfläche für die eigenen Wünsche und Hoffnungen diente. Gleichzeitig wurde es Symbol für den Widerstand und Ablehnung gegenüber der bestehenden Herrschaft in der westlichen Gesellschaft.

 

Was die Entwicklung und den zeitlichen Verlauf der Solidarität betrifft, so betont die Arbeit den Sommer 1968 mit dem Nationalen Vietnamtag als Höhepunkt, als in mehreren Städten z.T. spektakuläre Demonstrationen stattfanden. Mit Ausnahme des Besuchs von General Westmoreland 1969 verlor die Vietnamsolidarität in den folgenden Jahren dann an Brisanz.

 

Dass es zu diesem Nachlassen der Vietnamproteste kam, so der fünfte Punkt, hatte v. a. mit der Entwicklung der Neuen Linken zu tun. Nur noch einzelne Gruppen sahen in Vietnam den Schlüssel zur Weltrevolution, für andere verlor Vietnam seinen Symbolcharakter. Aber auch für die Friedensaktivisten rückten andere Probleme in den Vordergrung.

Als sechster und letzter Punkt stellt die Arbeit noch die Frage nach der Wirkung dieser Vietnam-Proteste, welche allerdings schwer messbar ist. Sicherlich trugen die Proteste dazu bei, dass der Krieg in Vietnam von der breiten Öffentlichkeit nicht nur durch eine amerikafreundliche und unkritische Medienberichterstattung wahrgenommen wurde. Auch führten die Proteste zu einer allgemeinen Auseinandersetzung mit der schweizerischen Neutralität und der Rolle, welche die Schweiz als neutraler Staat in der damaligen Welt zu spielen habe.

Für die bewegten Studenten wirkten die Vietnamproteste als Symbol eines gemeinsamen Kampfes gegen das herrschende Establishment, nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt. Vietnam leistete in diesem Sinne anfangs vor allem bei der Abgrenzung gegen den politischen Gegner und der Definition der eigenen Identität einen entscheidenden Beitrag.

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