Gebräunte Haut wurde im 20. Jahrhundert zu einem neuen, beständigen Schönheitsideal und das Streben danach zu einem eigentlichen Bräunungskult. Zuvor hatte die gebräunte Haut in Europa als nicht schön gegolten und wurde zugunsten einer vornehmen Blässe möglichst verhindert. Zu einem Wandel des gängigen Schönheitsideals von der weissen zur gebräunten Haut kam es schliesslich aufgrund verschiedener Bewegungen und Entwicklungen, die ihren Ursprung im ausgehenden 19. Jahrhundert hatten. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Lebensreformbewegung. Sie schwor auf die natürliche Kraft von Sonnen-, Licht- und Luftbädern. Zugleich entdeckte die Naturheilbewegung als Zweig der Lebensreformbewegung – sowohl für die Naturheilkunde wie auch für die Schulmedizin – die Heliotherapie wieder.
Für die Kosmetikartikelbranche stellte der neue Bräunungskult im Bereich Sonnenschutzmittel ein Entwicklungspotential dar, welches sie ausgiebig nutzte. Die Lizentiatsarbeit beinhaltet eine Untersuchung aller Werbeanzeigen für Sonnenschutzprodukte, die von 1920-2000 in der Schweizer Illustrierten publiziert wurden. Dabei zeigt sie Veränderungen von Text und Bild im Zuge der Entstehung, Entwicklung und Verfestigung des Bräunungskultes sowie seiner Beständigkeit trotz neuester Erkenntnisse über Ozonloch, Hautkrebs und vorzeitiger Hautalterung auf. Anhand der textanalytischen Kategorien «Produkteentwicklung», «Gefahrenbewusstsein», «Wissenschaftlichkeit» und «Schönheitsideal» sowie der Untersuchungsmotive «Tätigkeiten und Verhalten an der Sonne» sowie «Hautbräune und Hauttyp» für die Bildanalyse wird dargestellt, dass die Anzeigenwerbungen für Sonnenschutzmittel schon in den 1920er Jahren Kreuzungspunkt verschiedener Diskurse waren. Den Konsumentinnen und Konsumenten wurde eine schöne Hautbräunung, Schutz vor unerwünschten Nebenwirkungen der Sonneneinstrahlung sowie die längerfristige Bewahrung einer gepflegten und gesunden Haut versprochen. Dies entspricht sowohl einem Schönheits- oder Kosmetikdiskurs als auch einem Gesundheits- oder medizinisch-wissenschaftlichen Diskurs.
Die Analyse der Sonnenschutzmittelwerbungen der Jahre 1935-1975 – in dieser Zeit wandelte sich das Ideal der gebräunten zum Ideal der tief gebräunten Haut – hat ebenfalls eine enge Vermischung der angesprochenen Diskurslinien gezeigt, wobei die wissenschaftlichen Fachausdrücke gerade mit der Erkennung neuer Gefahren der Sonneneinwirkung und der damit verbundenen Entwicklung von Schutzfiltern erheblich zunahmen.
Der letzte Zeitraum von 1980-2000 war schliesslich geprägt von einer weiteren Verwissenschaftlichung, wobei nun auch die mittlerweile bekannten und gefürchteten Langzeitschäden z.T. angesprochen und wissenschaftlich erklärt wurden. Produkte zur Körperpflege wie die Sonnenschutzmittel sind heute nicht mehr reine Kosmetika; vielmehr dienen sie auch der Prävention und Heilung und fallen somit zusätzlich in die Zuständigkeitsbereiche von Pharmazie und Medizin, was das oft gehörte Wort «Kosmeceuticals» gut zum Ausdruck bringt. Dennoch ist die Geschichte des Bräunungskultes mit dem ausgehenden 20. Jahrhundert nicht zu Ende. In den Werbebildern wurden zwar zunehmend Personen mit weniger stark gebräunter Haut abgebildet, dennoch wurde in den 1990er Jahren grundsätzlich am Ideal der gebräunten Haut festgehalten. Was sich bisher verändert hat, sind lediglich die Produkte, die mittlerweile Schutzfaktor 30 aufweisen und dem so genannten australischen Standard genügen, sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Risikofaktoren übermässiger Sonnenexposition, die insbesondere von der Schweizerischen Krebsliga, z.T. aber auch von den Anbietern von Sonnenschutzmitteln vorangetrieben wird. Es stellt sich deshalb die Frage, wie lange das Schönheitsideal der gebräunten Haut noch aufrechterhalten wird, und ob wir in den nächsten Jahrzehnten einen Wahrnehmung einer schönen Haut erfahren grundsätzlichen Wandel in Bezug auf die werden.